Thao Tran - SARS - CoV-2

Schneller als geplant - eine Dissertation zur Vorbereitung auf eine Pandemie wurde zu einer realen Reaktion auf die Covid-19-Pandemie

Mit ihrer Dissertation wollte Thao Tran Strategien zur Vorbereitung auf künftige Epidemien neu auftretender Zoonosen aufzeigen – ein Projekt, das laut Prof. Volker Thiel, Leiter der Abteilung Virologie am Institut für Virologie und Immunologie (IVI) und Professor an der Universität Bern, genau zur richtigen Zeit vorlag, denn das Thema wurde mit dem Ausbruch der Sars-CoV-2-Pandemie noch aktueller und wichtiger. Mit dem Auftreten von Sars-CoV-2 konnte das System in einer «realen» Situation getestet werden, und Thao und das Team ist es gelungen, in gut einer Woche basierend auf Information über die Virussequenz das Virus zu rekonstruieren – eine noch nie dagewesene Leistung. Seither werden die Plattform und die daraus resultierenden geklonten Viren von zahlreichen Forschungsteams in vielen Ländern Asiens, Europas, Ozeaniens und Nordamerikas geteilt und genutzt. Die Plattform war auch der Ausgangspunkt für die Viren die am IVI zur Untersuchung der Auswirkungen der verschiedenen Varianten von Sars-CoV-2 verwendet werden. (Publikationen dazu sind Publikation Nature, Publikation BiorXiv). «Thaos ausgezeichnete Arbeit hat sich als wertvoller Ausgangspunkt für viele weitere Projekte erwiesen, die derzeit in unserem Labor und auch an anderen Orten in Zusammenarbeit mit Forschungsteams auf der ganzen Welt durchgeführt werden», erklärt Prof. Volker Thiel.

Interview mit Dr. Thao Tran

Portrait Thao Tran (2)

Was war das Thema Ihrer Dissertation?

Ich wollte mit meinem Projekt ein System entwickeln, mit dem viele neu auftretende RNA-Viren allein aus ihrem genetischem Material rekonstruiert werden können: Dieser Prozess wird als «reverse Genetik» (reverse genetics) bezeichnet. Wenn wir über ein «One-for-all»-System verfügen, können wir uns auf eine Epidemie oder eine Pandemie, die durch ein neu auftretendes Virus verursacht wird, vorbereiten und schnell reagieren.

In solchen Situationen kann die von uns entwickelte Reverse-Genetik-Plattform eingesetzt werden, um rekombinante Viren viel schneller zu generieren als mit bisherigen anderen Methoden und sie in Studien zum Verhalten des Virus, zur Identifizierung neuer Medikamente und zur Entwicklung von Impfstoffen zu verwenden.

Welches sind Ihre wichtigsten Ergebnisse?

Wir haben eine auf Hefe basierende Methode verwendet, auch bekannt als transformationsassoziierte Rekombination (TAR– «Transformation-Associated-Recombination»), um eine universelle Klonierungsplattform für viele bereits bekannte neu aufgetretene RNA-Viren wie MERS-CoV, Zika-Virus usw. herzustellen. Wir haben die TAR-Klonierungsplattform zudem auch erfolgreich eingesetzt, um alle sechs Versionen des infektiösen Pandemievirus Sars-CoV-2 innerhalb einer Woche, nachdem wir das synthetische virale Genmaterial erhalten hatten, zu rekonstruieren und anzureichern. Dies ist eine Pionierleistung, die überzeugend zeigen konnte, dass die neue Plattform viele wesentliche Kriterien der Vorbereitung auf Epidemien erfüllt: Sie ist schnell, effizient, ermöglicht einen hohen Durchsatz und ist universell einsetzbar. Wichtig festzuhalten ist, dass wir nur die Sequenzierungsdaten des betreffenden Virus benötigten: Aus diesen konnten wir die Bausteine des Virus für die Herstellung eines synthetischen Virus mit Hilfe der hefebasierten Plattform sichern. Wir brauchten also keine klinischen Proben, um das Virus umfassender zu studieren, was den Prozess im Vergleich zu herkömmlichen Methoden deutlich beschleunigt. Die Plattform ist seither entscheidend für die Herstellung zahlreicher rekombinanter SARS-CoV-2-Viren, die einen wesentlichen Bestandteil unseres «Werkzeugkastens» bilden für verschiedene Projekte von Prof. Thiel und für andere Forschende in Projekten, an denen wir mitarbeiten.

Wie können die Ergebnisse in Zukunft eingesetzt werden? Warum und für wen sind sie wichtig?

Wie wir in unserer Arbeit gezeigt haben, ist diese TAR-basierte Reverse-Genetik-Plattform sehr gut übertragbar und auf die globale SARS-CoV-2-Pandemie anwendbar. Mit der weiteren Ausbreitung der Pandemie erwarten wir weitere Varianten mit genomischen Veränderungen, die sich möglicherweise auf die Übertragung, Replikation und/oder Immunität auswirken können. Mit dem Einsatz dieser Plattform können wir schnell und praktisch in Echtzeit neue Varianten nachbauen und untersuchen und so wertvolle Informationen für die Optimierung von Impfstoffen und therapeutischen Strategien liefern. Neben den zahlreichen Anwendungen in der SARS-CoV-2-Forschung eröffnet diese Plattform auch mehr Möglichkeiten zur Untersuchung der Grundlagenbiologie anderer Viren.

Worauf sind Sie bei Ihrer Dissertation besonders stolz?

Als ich für meine Dissertation in die Schweiz kam, hatte ich kaum Kenntnisse und technischen Fähigkeiten auf diesem Gebiet, insbesondere im Bereich der reversen Genetik. Trotzdem gab mir Volker, die Möglichkeit, dieses Projekt zu übernehmen. Ich war sehr froh, dass ich im Laufe der Jahre so viel lernen konnte –  von den kleinsten Dingen, wie z. B. welche Etiketten ich für Röhrchen, die eingefroren werden, verwenden sollte, bis hin zu all den grösseren Aufgaben wie der Interpretation wissenschaftlicher Ergebnisse und der Diskussion technischer Ansätze, sowie der Mitarbeit an verschiedenen Projekten und der Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen. Wenn ich auf meine Doktorandenzeit zurückblicke, bin ich stolz darauf, dass ich mein Bestes gegeben habe: Ich hatte anfangs nur begrenzte Kenntnisse in Molekularvirologie, und es ist mir gelungen, meinen Platz zu finden und mein Wissen und meine Fähigkeiten in diesem Bereich zu erweitern. Ich bin auch sehr dankbar und optimistisch, denn ich denke, dass das, was ich gelernt habe, eine nützliche Grundlage für alle zukünftigen Herausforderungen sein wird. Noch wichtiger ist, dass dieses System für RNA-Viren erfolgreich etabliert wurde: Es hat sich als anwendbar erwiesen, und ich bin sehr stolz darauf, dass meine Dissertation zur Bekämpfung der anhaltenden Pandemie beiträgt. Meine Arbeit hat die Grundlage (z. B. Protokolle und Material) für viele Projekte am IVI und für andere internationale Forschungsteams in Europa, Asien und Amerika geliefert. Ich hoffe, dass immer mehr Laboratorien dieses System für die Untersuchung verschiedener Viren sowohl in der Grundlagenforschung als auch in der angewandten Biologie einsetzen werden.

Wie haben Sie die Zeit am IVI erlebt? Was hat Ihnen besonders gut gefallen?

Die Jahre am IVI waren sicher eine der schönsten Arbeitserfahrungen, die ich bisher gemacht habe. Ich bin sehr dankbar, mit so vielen Menschen zusammenzuarbeiten, deren Wissen mich beeindruckt und die mich so gut aufgenommen haben. Volker hat mich sehr gut unterstützt und war verständnisvoll sowohl während der ganzen Arbeit, als auch auf persönlicher Ebene. Darüber hinaus war es beruhigend zu wissen, dass ich bei allem, was ich tat oder tun wollte, auf meine Kolleginnen und Kollegen zählen konnte, die sich stets bemühten, mir zu helfen und dafür zu sorgen, dass die Dinge am Ende erfolgreich verliefen. Obwohl es im Prinzip «meine» Dissertation war, wären die Ergebnisse dieser Arbeit ohne die Beiträge des gesamten Teams niemals möglich gewesen. Ich möchte dieses Interview zum Anlass nehmen, allen meinen Kolleginnen und Kollegen des IVI, des IVB und der anderen Institute und insbesondere Volker für die enorme Unterstützung zu danken, die ich in den letzten Jahren erfahren habe. Es war eine grosse Ehre für mich, mit ihnen zusammenzuarbeiten!

Wie geht es jetzt weiter?

Ich denke, dass die Kompetenzen, die ich während meiner Dissertation erworben habe, für meine zukünftige Arbeit nützlich sein werden, sei es im universitären Bereich oder in der Industrie. In nächster Zukunft plane ich, einige Postdoc-Stellen an verschiedenen Universitäten anzunehmen, und ich würde mich gerne vermehrt auf die praktische Anwendungsseite der Virologie konzentrieren. Langfristig hängt das von vielen Dingen ab, aber ich bin offen dafür, entweder im universitären Bereich zu bleiben oder in die Industrie zu wechseln.

Infografik : Transformationsassoziierte Rekombination (TAR)

Mit der Plattform für reverse Genetik können rekombinante Viren viel schneller als mit anderen Methoden erzeugt werden, um sie in Virologie Studien, zur Identifizierung neuer Medikamente und zur Entwicklung von Impfstoffen einzusetzen.

 

Plateforme levures Thao
Genetic modification: genetische Veränderung; In-yeast assembly: Zusammensetzung in Hefe
Virus recovery: Virus-Wiederherstellung; TAR cloning: TAR-Klonierung,
transformationsassoziierte Rekombination

Zusätzliche Informationen

Die erste Publikation von Thao Tran beschreibt den Wettlauf zur Herstellung des ersten synthetischen Sars-CoV-2-Virus. Vor dem Ausbruch der Pandemie hatte Thao im Rahmen ihres Projekts eine polyvalente Plattform auf der Basis von Hefe entwickelt, die es ermöglichte, verschiedene Viren innerhalb eines viel kürzeren Zeitrahmens als bei klassischen Strategien zu reproduzieren und zu erneuern, ohne dass klinische Proben des betreffenden Virus erforderlich waren. Die Idee für ihre Dissertation, die vom innovativen EU-Ausbildungsnetzwerk HONOURS  finanziert wird, wurde in Zusammenarbeit von  Prof. Volker Thiel  (Erstgutachter der Dissertation, IVI und Universität Bern) und Prof. Jörg Jores (Leiter Veterinärbakteriologie und Zweitgutachter, Universität Bern) formuliert. Das Ziel war die Entwicklung einer Strategie, um auf zukünftige Ausbrüche neu auftretender Zoonosen zu reagieren.

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Letzte Änderung 08.02.2023

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