Emilia Radulovic - Afrikanische Schweinepest

Welche Wirtsfaktoren beeinflussen den Verlauf und den Schweregrad der Krankheit?

Die Afrikanische Schweinepest (ASP) wird durch ein Virus verursacht, das für Wildschweine und Schweine gefährlich ist, nicht aber für den Menschen. 2007 wurde ein hochvirulenter Stamm versehentlich nach Georgien eingeschleppt. Seither breitet er sich in Europa und in Südostasien aus, wo bereits Millionen Tiere verendeten. Trotz zahlreicher wissenschaftlicher Bemühungen ist bis heute weder eine Therapie bekannt noch eine sichere Impfung gegen ASP erhältlich. Die Grundlagenforschung zu den Wirtsfaktoren, die den Schweregrad der Krankheit und die Immunreaktionen beeinflussen, wurde lange Zeit vernachlässigt, und demzufolge gab es bisher wenig Fortschritte in der Entwicklung eines sicheren und wirksamen Impfstoffs. Das IVI erforscht in seinem Hochsicherheitslabor das Immunsystem von Schweinen und dessen Interaktion mit verschiedenen Krankheitserregern. Phänotypisierungs- und Sequenzierungstechniken ermöglichen eine vertiefte Untersuchung der Biologie von Immunzellen. Darüber hinaus erforscht das IVI dank Gentechnik die Struktur, die molekulare Zusammensetzung und die Replikationsmechanismen des ASP-Virus und auch die Mechanismen, mit denen die Viren die Immunantwort des Wirts beeinträchtigen.

Hierfür betreibt das IVI seit Jahren eine Schweinezucht unter aussergewöhnlichen pathogenfreien Hygienebedingungen: Im dieser Zucht fehlen Krankheitserreger für Schweine. Aufgrund des speziellen Gesundheitsstatus haben die Tiere ein besonders naives Immunsystem, dessen unterschiedliche Reaktion auf eine Infektion mit dem ASP-Virus im Vergleich zum Immunsystem eines konventionell gehaltenen Schweins zu grundlegenden Fortschritten geführt hat, die in diesem Projekt beschrieben werden.

Interview mit Dr. Emilia Radulovic

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Worauf zielt Ihre Doktorarbeit ab?

Die Dissertation soll ein besseres Verständnis der Wirtsfaktoren vermitteln, die die Pathogenese von ASP während einer In-vivo-Infektion beeinflussen, sowie der Faktoren, die für den Eintritt des Virus auf zellulärer Ebene entscheidend sind. Es wurden mehrere, bislang unerforschte Fragen untersucht:

  • Welche Wirtsfaktoren bestimmen Verlauf und Schweregrad der Krankheit?
  • Modulieren sie die adaptive Immunität und den langfristigen Schutz?
  • Und auf Zellebene: Welche Wirtsfaktoren werden während der Differenzierung von ASPV-unempfänglichen Monozyten zu Virus-permissiven Makrophagen induziert?

Welches sind die wichtigsten Ergebnisse Ihrer Dissertation?

Ich konnte nachweisen, dass der gesundheitliche und immunologische Status des Wirts tatsächlich einen Einfluss auf Verlauf und Schwergrad der Krankheit hat. Konkret untersuchte unsere Forschungsgruppe, zu der unter anderem Kemal Mehinagic, Nicolas Ruggli, Artur Summerfield, Charaf Benarafa und ich gehörten, zunächst den basalen Immunstatus von IVI-Hausschweinen, die frei von spezifischem Krankheitserreger der Schweine sind (SPF-IVI, naives Immunsystem), im Vergleich zum Immunstatus von Hausschweinen, die auf Bauernhöfen gehalten werden. Die SPF-IVI-Schweine zeigten eine geringere angeborene Immunaktivität als die Hofschweine mit grundlegenden Unterschieden in der Zusammensetzung des Darmmikrobioms. Nach der Impfung mit einem hochvirulenten Stamm des Genotyps II des ASP-Virus (Armenia 2008) traten in beiden Gruppen schwere klinische Symptome auf, die innerhalb von sieben Tagen für alle Tiere letal waren. Bei der Infektion mit einem abgeschwächten Stamm (Estonia 2014) hingegen zeigten die SPF-IVI-Schweine eine leichtere klinische Erkrankung mit vollständiger Genesung, während die Hofschweine schwer und lang erkrankten, mit einer Letalität von 50 Prozent. Anschliessend untersuchten wir, ob SPF-IVI-Schweine und Hofschweine, die eine erste Infektion mit Estonia 2014 überlebt hatten, eine adaptive Immunität erworben haben, die gegen eine erneute Infektion mit dem hochvirulenten Stamm (Armenia 2008)  schützen würde. Wir konnten klar nachweisen, dass die genesenen SPF-IVI-Schweine bei einer Reinfektion mit dem virulenten Armenia-2008-Stamm klinisch völlig geschützt waren, während die Hofschweine eine hohe Viruslast, schwere klinische Symptome und eine Letalität von 40 Prozent aufwiesen. Diese Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung des basalen Immunstatus für das Ausmass und die Eigenschaften der angeborenen und adaptiven Immunantworten infolge einer Infektion mit dem ASP-Virus und bieten ein experimentelles Modell für die Identifizierung der wichtigsten Marker und Mechanismen, die mit dem Schutz in Verbindung gebracht werden.

Inwiefern werden Ihre Ergebnisse dazu beitragen, die Forschung voranzubringen?

Die Ergebnisse, die wir im Rahmen meines Dissertationsprojekts gesammelt haben, liefern neue Erkenntnisse für das allgemeine Verständnis der Immunpathogenese von ASP und werfen gleichzeitig neue interessante grundlegende Fragen auf. Die von uns beschriebenen SPF-IVI-Schweine bieten ein hervorragendes Modell zur Untersuchung der Faktoren, die die Resilienz gegenüber ASP beeinflussen. Diese Erkenntnisse sind von grosser Bedeutung für die spätere Entwicklung von abgeschwächten Lebendimpfstoffen.

Worauf sind Sie besonders stolz?

Wir PhD-Studierende sind, was die Zielerreichung anbelangt, weitgehend auf uns selbst gestellt, sind gewissermassen Antrieb und Bremsklotz in einem. Im Labor habe ich Phasen des Frusts erlebt, die mich insgesamt stark demotiviert haben. Aber wir sind drangeblieben und schliesslich haben die Experimente geklappt, und jetzt bin ich stolz, dass ich durchgehalten habe und genügend Kräfte mobilisieren konnte.

Was hat Ihnen bei der Arbeit an Ihrer Dissertation besonders gut gefallen?

In der Ausrichtung des Projekts war ich sehr frei. So konnte ich das Projekt wirklich multidisziplinär gestalten. Ich habe verschiedene Methoden der Immunologie und Virologie kennengelernt, aber auch Tierversuche geplant, RNA- und Mikrobiota-Sequenzierungsdaten analysiert und vieles mehr. Ich fand es toll, dass meine Tage so dynamisch waren und kein Tag gleich. Dadurch konnte ich auch meine Kompetenzen erweitern.

Wie waren Ihre Jahre am IVI?

Am Anfang hatte ich jedes Mal, wenn ich das Hochsicherheitslabor betrat, das Gefühl, in ein U-Boot zu steigen. Du bist vom Rest der Welt völlig abgekoppelt und baust dann sehr starke Bindungen zu den Kolleginnen und Kollegen auf, mit denen du den Alltag teilst. Ich hatte während meines PhD-Projekts die beste Zeit meines Studiums, mit viel Arbeit, aber zum Ausgleich auch mit viel Spass.

Was sind Ihre nächsten Projekte? Was werden Sie jetzt tun? 

Ich habe tausend Pläne im Kopf. Wenn man ein paar Jahre an der Uni verbringt, vergisst man schnell, dass es da draussen noch eine ganze andere Welt gibt.

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Letzte Änderung 29.03.2023

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