Auswirkungen von Virusinfektionen auf die Plazenta und das Gehirn von Föten: Forschung mit Ex-vivo-Modellen und 3D-Organoiden
Virusinfektionen während der Schwangerschaft erhöhen das Risiko von Komplikationen sowohl für die Frau als auch für den Fötus: Viren können Krankheitssymptome verschlimmern, zu mehr Fehlgeburten führen und die Entwicklung insbesondere des Gehirns beeinträchtigen. Wenn bei schwangeren Frauen eine Virämie auftritt und Viren ins Blut gelangen, kann dies die lebenswichtige Barrierefunktion der Plazenta beeinträchtigen. Das Virus kann dann die Plazentaschranke überwinden, die Gesundheit des Fötus gefährden und zu Entwicklungsstörungen führen, unter anderem im Gehirn.Zum besseren Verständnis der beteiligten Mechanismen braucht es humane In-vitro-Modelle, die Virusinfektionen im Plazenta- und Hirngewebe des Fötus möglichst genau nachbilden. Wir untersuchen mit komplexen Modellen, zum Beispiel mit Explantaten der menschlichen Plazenta und Organoiden des Gehirns, Infektionen mit SARS-CoV-2, dem West-Nil-Virus (WNV) und dem Zika-Virus (ZIKV). Mit diesen Modellen konnten wir den zellulären Tropismus, die Virusausbreitung sowie die Reaktionen des Wirts auf die Infektion untersuchen.
Interview mit Dr. Amal Fahmi
Was war das Ziel Ihrer Dissertation?
Meine Dissertation widmete sich zwei Hauptzielen. Erstens versuchten wir während der Covid-19-Pandemie, schnell Informationen für Schwangere bereitzustellen. Genauer gesagt habe ich untersucht, ob das SARS-CoV-2 das menschliche Plazentagewebe infizieren und sich dort ausbreiten kann, denn dies könnte die Entwicklung des Fötus beeinträchtigen. Dazu entwickelten und charakterisierten wir ein neues Ex-vivo-Modell der menschlichen Plazenta. Damit konnten wir die Anfälligkeit dieses Gewebes gegenüber dem SARS-CoV-2 beurteilen.
Zweitens habe ich die potenziell schädlichen Auswirkungen des West-Nil-Virus (WNV) untersucht. Wir erforschten die WNV-Infektion während der Gehirnentwicklung im Vergleich zu einem gut untersuchten verwandten Virus, dem Zika-Virus (ZIKV). Dazu entwickelten und optimierten wir ein In-vitro-3D-Modell des Gehirns von menschlichen Föten. Wir verwendeten dabei Hirnorganoide, die aus pluripotenten Stammzellen gewonnen wurden.
Was sind die wichtigsten Ergebnisse Ihrer Dissertation?
Wir konnten zeigen, dass das SARS-CoV-2 die menschliche Plazenta infizieren kann und die Replikationsrate stark von der Expression von ACE2 abhängt, dem wichtigsten Zellrezeptor, den SARS-CoV-2 für den Eintritt in die Wirtszellen verwendet. Der ACE2-Rezeptor spielt somit eine entscheidende Rolle für die Anfälligkeit der Plazenta gegenüber einer Infektion mit dem Virus. Wir konnten nachweisen, dass die Expression des Rezeptors bei jeder Plazenta und damit auch bei jeder Schwangerschaft anders sein kann.
Unsere Untersuchungen haben auch ergeben, dass das WNV mit dem ZIKV vergleichbar ist, was die Plazentainfektion und die schädlichen Auswirkungen auf die Gehirnentwicklung betrifft. Unsere Ergebnisse zeigen eindeutig, dass das WNV die Plazenta infizieren und möglicherweise die Entwicklung des Gehirns beim menschlichen Fötus beeinträchtigen könnte.
Inwiefern werden Ihre Ergebnisse die Forschung weiterbringen?
Wir haben erfolgreich ein Ex-vivo-Modell der menschlichen Plazenta entwickelt und bieten damit eine Plattform für fundierte Analysen darüber, wie verschiedene Viren mit diesem lebenswichtigen Gewebe interagieren. Zum Beispiel können wir untersuchen, mit welchen Mechanismen Viren in die Plazenta eindringen, etwa über bestimmte Rezeptoren auf der Oberfläche der Plazentazellen. Ausserdem konnten wir nachweisen, dass sich Hirnorganoide als Modell eignen, um zu untersuchen, welche Mechanismen das Gewebe bei einer Infektion mit Viren wie dem WNV verändern. Diese Modelle könnten sich zur Bewertung der Wirksamkeit von antiviralen Therapien eignen. Man könnte damit in Erfahrung bringen, welche Behandlungen die schädlichen Auswirkungen einer Virusinfektion auf das menschliche Gehirn reduzieren.
Worauf sind Sie bei dieser Arbeit besonders stolz?
Erstens war die Durchführung meiner Doktorarbeit während der Covid-19-Pandemie schwierig – aber gleichzeitig auch dankbar. Ich musste schnell handeln und grundlegende Fragen zur Biologie des SARS-CoV-2 im Plazentagewebe beantworten, da die Gesundheit von schwangeren Frauen für die öffentliche Gesundheit sehr zentral ist. Die schnelle Veröffentlichung unserer Erkenntnisse war wichtig und half schwangeren Frauen, fundierte Entscheidungen über eine Covid-19-Impfung zu treffen. Zweitens befasste sich meine Arbeit mit grundlegenden Fragen zur Biologie des WNV im menschlichen Plazenta- und Hirngewebe. Ich verwendete dabei hochmoderne In-vitro-Modelle, die in diesem Zusammenhang vorher noch nie eingesetzt worden waren. Die Untersuchung der möglichen Auswirkungen des WNV während der Schwangerschaft brachte spezifische Herausforderungen mit sich, umso mehr, als es noch kaum Forschung dazu gab. Ich erlebte es jedoch als einmalige Chance, zu einem vernachlässigten, aber wichtigen Forschungsbereich beizutragen.
Was hat Ihnen bei Ihrer Dissertation besonders gut gefallen?
Im Laufe meiner Dissertation bin ich zu den Grenzen der aktuellen Forschungsansätze vorgestossen und habe Strategien zur Überwindung dieser Herausforderungen vorgeschlagen. Ich habe auf komplexe, physiologisch aussagekräftige Modelle gesetzt und so zum besseren Verständnis des Verlaufs von Viruserkrankungen während der Schwangerschaft beigetragen.
Wie war Ihre Zeit beim IVI?
Ich bin begeistert von der Zeit am IVI. Alle waren immer sehr freundlich, und ich fühlte mich immer sicher und willkommen. Viele Gespräche und Diskussionen waren angenehm und fruchtbar. Ich möchte mich auch bei meiner Gruppe bedanken, der Alves-Gruppe, deren tägliche Unterstützung und positive Atmosphäre wesentlich zu meinem Werdegang beigetragen haben.
Was sind Ihre nächsten Pläne?
Nach der Verteidigung meiner Doktorarbeit wechsle ich von der Erforschung von Virusinfektionen zur Entdeckung verschiedener Weltregionen. Diese Auszeit wird als Katalysator für neue Perspektiven und Inspirationen dienen und schliesslich auch Inspiration für mein nächstes wissenschaftliches Abenteuer sein. Ich freue mich jetzt schon auf diese nächste Herausforderung in der Forschung und darauf, zu den Entdeckungen der wissenschaftlichen Gemeinschaft beizutragen.