Tierversuche und Alternativen am IVI
Experimente mit den Immunzellen des natürlichen Wirts sowie mit Tieren sind für die Erforschung dieser Infektionskrankheiten essenziell. In-vitro-Modelle erlauben es derzeit nicht, die Mechanismen und den Schweregrad einer Krankheit im Zusammenhang mit einem Virusstamm sowie die Immunreaktion und die Schutzwirkung potenzieller Impfstoffe zu bewerten. Deshalb ist in solchen Fällen ein Tierversuch notwendig.
In der Schweiz unterliegen alle Tierversuche gemäss dem Tierschutzgesetz einem strengen Bewilligungsverfahren. Insbesondere um das erste «R» des 3-R-Prinzips (Replace, Reduce, Refine) einzuhalten, ist eine Erforschung an Tieren nur dann zulässig, wenn es keine alternative Methode gibt, die die gestellten Fragen beantwortet. Sobald die absolute Notwendigkeit eines Tierversuchs festgestellt wurde, beurteilt eine unabhängige kantonale Kommission das Bewilligungsgesuch sorgfältig. Dieser Antrag muss die Ziele und die Mindestanzahl der Tiere begründen (Reduce) und darlegen, dass die verwendeten Methoden dem Tierschutz optimal Rechnung tragen (Refine). Gegebenenfalls wird die Bewilligung erst nach Abschluss dieser Bewertung erteilt. Eine Güterabwägung zeigt folglich auf, ob ein Tierversuch bewilligt und durchgeführt werden kann.
Wenn permanente tierische oder menschliche Zelllinien oder sogar ein vollumfänglich synthetischer Ansatz die Beantwortung einer Frage ermöglichen, müssen sie vorrangig verwendet werden, da sie es erlauben, Tierversuche auf ein absolutes Minimum zu reduzieren. Häufig muss jedoch auf Primärzellen zurückgegriffen werden. Dazu werden den Tieren des IVI regelmässig Blutproben entnommen. Dieses Verfahren unterliegt ebenfalls einer Bewilligung für Tierversuche mit Schweregrad 0. Die so gewonnenen Primärzellen ermöglichen es insbesondere:
- gefährdete Arten zu identifizieren (host range)
- im Falle von Zoonosen bei Tieren und Menschen Zielzellen/Zielorgane zu bestimmen
- die grundlegenden Mechanismen der viralen Infektion zu erforschen
- potenzielle therapeutische Moleküle zu testen (drug screening)
- frische Gewebekulturen oder dreidimensionale Kokulturen mit verschiedenen Zellen mit organähnlichen Eigenschaften (Organoiden) zu entwickeln. Diese Modelle, die derzeit bei der Bekämpfung des Coronavirus eingesetzt werden, sind äusserst vielversprechend, um die Eigenschaften von zoonotischen Viren wie Vogel- und Schweinegrippeviren sowie von Viren, die West-Nil-Fieber, Japanische Enzephalitis, Zika-Fieber oder Mpox (Affenpocken) verursachen, zu untersuchen.
Das IVI ist Teil der Initiative STAAR (Swiss Transparency Agreement on Animal Research), die sich zum Ziel gesetzt hat, die Kommunikation und die Transparenz in Bezug auf die Verwendung von Tieren in der Forschung zu verbessern. STAAR umfasst sowohl öffentliche als auch private Organisationen, die Tierversuche durchführen, solche unterstützen und/oder diese finanzieren, sowie Institutionen, die Tiere züchten und zur Verfügung stellen.
Einblicke in unsere Arbeit

Blog Amal Fahmi – Organoide
«Wir haben gezeigt, dass das SARS-CoV-2 die menschliche Plazenta infizieren kann und dass das West-Nil-Virus ebenfalls Eigenschaften aufweist, die eine Plazentainfektion ermöglichen.».

Auch die Methode der Erforschung ändert sich
Interview: Nicole Jegerlehner, Redaktion SAT, Kommunikation & Politik, gesellschaft Schweizer Tierärzinnen und Tierärzte GST
Die In-vitro-Forschung wird für die Entwicklung einer Alternative zu Tierversuchen ausgezeichnet
Marco Alves möchte das gesamte Preisgeld von 10 000 Franken für die Finanzierung von In-vitro-Forschungsprojekten verwenden.
Veröffentlichungen in Zusammenhang mit dem Preis:
SARS-CoV-2 can infect and propagate in human placenta explants
Generation of precision-cut slice cultures of human placenta
Neues In-vitro-Modell: eine Alternative zu Tierversuchen
Im Rahmen seiner Forschung über SARS-CoV-2 in der menschlichen Plazenta (Fahmi et al, 2021) hat das Forscherteam von PD Dr. Marco Alves (Institut für Virologie und Immunologie IVI und Universität Bern) ein In-vitro-Modell der menschlichen Plazenta entwickelt. Dieses physiologische Modell bietet die nötige Grundlage für eine signifikante Reduktion von In-vivo-Ansätzen bei der Bewertung pathophysiologischer Mechanismen von Viren, die Infektionen während der Schwangerschaft verursachen. Dieses neue Modell stärkt das 3R-Prinzip (replace, reduce, refine) – das Tierversuche ersetzen, reduzieren und verbessern möchte –, insbesondere das Prinzip des Ersetzens.
Dank der Veröffentlichung der exakten Methode im Wissenschaftsmagazin STAR Protocols (Fahmi et al., 2022) können andere Forscherteams diese Technik übernehmen, wodurch letztlich die Anzahl der verwendeten Tiere reduziert werden kann.
Tierversuche dürfen nur bewilligt werden, wenn keine alternativen Methoden vorhanden sind, mit denen eine Fragestellung beantwortet werden kann. Das Institut für Virologie und Immunologie (IVI) setzt sich für die Entwicklung alternativer Methoden ein.
Legende
Methode des neuen In-vitro-Modells: Von der Plazentaentnahme bis zur Gewebekultur, was anschliessend die Untersuchung der menschlichen Plazenta, z. B. nach einer SARS-CoV-2-Infektion, ermöglicht.
SARS-CoV-2 in der Plazenta beim Menschen
Was passiert, wenn die menschliche Plazenta mit SARS-CoV-2 infiziert wird? Die Forschungsteams des IVI und des CHUV konnten nachweisen, dass sich die Zellen der menschlichen Plazenta mit SARS-CoV-2 infizieren können. Das Virus kann sich dort rasch vermehren und die angrenzenden Plazentazellen infizieren. SARS-CoV-2 in der Plazenta beim Menschen (Medienmitteilung)


