Veröffentlicht am 26. August 2024

Evaluierung einer neuartigen Impfstrategie gegen Influenza im Schweinemodell

Die Kombination einer intramuskulär verabreichten Vektorvakzine mit einem intranasal verabreichten lebend-attenuierten Influenzavirus ist vorteilhafter als die Immunisierung mit dem lebend-attenuierten Impfstoff allein.

Bedeutung der Studie

Abgeschwächte Influenza-Lebendimpfstoffe (LAIV) bieten gegenüber den üblicherweise verwendeten inaktivierten Influenza-Impfstoffen viele Vorteile. Zum Beispiel sind sie in der Lage, eine mukosale Immunantwort zu induzieren, welche die Infektion des Respirationstraktes durch virulente Influenzaviren bereits in der Anfangsphase der Infektionskette verhindern kann. Allerdings ist es nicht immer leicht, ein optimales Gleichgewicht zwischen einer zufriedenstellenden Abschwächung des Lebendimpfstoffes und seiner Immunogenität zu finden. In der nun in PLOS Pathogens publizierten Arbeit zeigen Wissenschaftler des IVI und der Universität Bern, dass sich sowohl die Sicherheit eines lebend-attenuierten Impfstoffs als auch die induzierte Immunantwort durch eine neuartige Prime/Boost-Strategie verbessern lässt. Die Arbeit zeigt eindrucksvoll, dass auf diese Weise immunisierte Schweine eine sterile Immunität gegenüber der Infektion mit homologen Influenzavirus aufbauen. Diese neue Impfstrategie stellt somit einen vielversprechenden Ansatz zur besseren Kontrolle von Grippeausbrüchen bei Mensch und Tier dar.

• Beschreibung der Studie

  In einer früheren Arbeit wurde am IVI ein neuartiges, lebend-attenuiertes Influenzavirus erzeugt, das auf dem pandemischen H1N1-Virus von 2009 basiert, und durch ein verkürztes NS1-Protein und der Abwesenheit des akzessorischen PA-X-Proteins gekennzeichnet ist. Dieses Virus mit dem Namen NS1(1-126)-ΔPAX zeigte auf Zellkulturen eine schwächere Replikation und löste zudem eine starke angeborene Immunantwort aus (Avanthay et al., 2023, Front. Cell. Infect. Microbiol.13:1222805). In der vorliegenden Studie wurde nun die Wirksamkeit dieses Impfstoffkandidaten im Schwein als einem für Influenzaviren relevanten Tiermodell evaluiert. Die nasale Immunisierung von Schweinen mit dem Lebendimpfstoff NS1(1-126)-ΔPAX löste keine Krankheit aus, induzierte aber eine starke, mukosale Immunantwort, die die Replikation des virulenten H1N1 im Atemtrakt vollständig inhibierte. Überraschenderweise konnte der Impfstoffkandidat im oberen Respirationstrakt relativ gut replizieren, und wurde über einen längeren Zeitraum von den Tieren ausgeschieden. Um die Sicherheit des Impfstoffs zu verbessern, wurde daher eine neuartige Prime/Boost-Impfstrategie entwickelt. Dazu wurden die Tiere zunächst über die intramuskuläre Route mit einem vermehrungsunfähigen Virus der vesikulären Stomatitis (VSV) immunisiert, das für das HA-Antigen des pandemischen H1N1-Virus kodierte. Vier Wochen später wurden die Tiere dann mit dem lebend-attenuierten Impfstoffkandidaten über die nasale Route immunisiert, und nach weiteren vier Wochen mit dem pandemischen H1N1 von 2009 infiziert. Während der Studie wurde untersucht, wie sich die Verabreichung der Impfstoffe auf die Synthese Influenza-spezifischer Antikörper im Serum und den Schleimhäuten sowie die Induktion Influenza-spezifischer T-Zellen auswirkt. Zudem wurde die Virusausscheidung mittels RT-qPCR-Analyse nasaler Tupferproben analysiert und die Viruslast post mortem in bronchoalveolärer Flüssigkeit und im Lungengewebe untersucht. Schliesslich wurde in der Veterinärpathologie der Universität Bern die Lunge auf pathologische Veränderungen hin untersucht.

• Was sind die wichtigsten Erkenntnisse?

  • Der Lebendimpfstoff NS1(1-126)-ΔPAX induziert im Schwein nach intranasaler Applikation eine starke lokale Immunantwort, die die Replikation des virulenten H1N1 im Respirationstrakt vollständig unterbindet.
  • Trotz seiner Attenuierung vermag der Lebendimpfstoff NS1(1-126)-ΔPAX im oberen Respirationstrakt in einem Ausmass zu replizieren, das eine Übertragung auf andere Individuen ermöglicht.
  • Die neue Prime/Boost-Impfstrategie reduziert die Ausscheidung des lebend-attenuierten Impfstoffes deutlich.
  • Der neue Immunisierungsansatz führt zu einer reduzierten lokalen Immunantwort, die jedoch für eine sterile Immunität ausreichend ist.
  • Das zweistufige Immunisierungsverfahren führt im Blut zu höheren Influenza-spezifischen Antikörpermengen, virusneutralisierenden Antikörpern und Th1-Gedächtniszellen.

• Wie weiter?

  Die neue, vielversprechende Impfstrategie soll weiterentwickelt werden. Dabei stehen drei Fragen im Vordergrund:

  • Schützt die durch das Prime/Boost-Protokoll induzierte Immunantwort auch vor Virusvarianten, die durch einen ausgeprägten Antigendrift gekennzeichnet sind?
  • Induziert das neue Verfahren eine länger anhaltende schützende Immunität im Vergleich zu konventionellen Influenzaimpfstoffen?
  • Ist die Ausscheidung des Impfvirus bereits ausreichend reduziert, so dass eine Übertragung des Virus auf naive Tiere ausgeschlossen ist?

Titel
«Evaluation of a novel intramuscular prime/intranasal boost vaccination strategy against influenza in the pig model»

Autoren
Robin Avanthay, Obdulio Garcia-Nicolas, Nicolas Ruggli, Llorenç Grau Roma, Ester Párraga-Ros, Artur Summerfield, Gert Zimmer

Link

Plos Pathogen Evaluation of a novel intramuscular prime/intranasal boost vaccination strategy against influenza in the pig model